Blutregenalge

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03.10.2010, 19:43:35

Ecki

"Am 25. August (1701) bemerkte ich, dass in einer bleiernen Rinne, die am vorderen Teil meines Hauses angebracht ist, eine Pfütze von Regenwasser stehengeblieben war. Die Pfütze war fast 4 Zoll lang, sieben Zoll breit und zeigte einen roten Farbton.
Da mir der Gedanke kam, dass vielleicht jener rote Farbton seinen Ursprung roten Kleinstlebewesen verdanken könne, (...) entnahm ich der Rinne soviel Wasser, wie ungefähr einen Tropfen ausmacht, beobachtete es durch das Mikroskop und entdeckte eine große Anzahl teils roter, teils grüner Kleinstlebewesen."
Leeuwenhoek, 1702

Von ähnlichen Überlegungen wurde ein befreundeter Mikroskopiker im Jahr 2010 geleitet, der in seinem Garten einen Wasserrest mit einem verdächtig roten Farbton fand. Eine mikroskopische Untersuchung ergab, hier war kein Verbrechen geschehen, sondern die schon von Leeuwenhoek beschriebene Alge, heute als Blutregenalge (Haematococcus pluvialis) bekannt, war Schuld.

Haematococcus pluvialis ist eine Grünalge aus der Klasse der Chlorophyceae. Sie kommt überall auf der Welt vor, liebt eher hartes Wasser und kann sogar im Brackwasser leben. Pfützen, Betonlöcher, in denen sich Regenwasser sammelt oder auch Vogeltränken sind gute Kandidaten, Haematococcus pluvialis zu finden.

Haematococcus pluvialis ist für die o.a. Habitate bestens spezialisiert. Wenn die Lebensbedingungen schlechter werden (zu wenig Licht, Nährstoffmangel (speziell Stickstoff)) werden die beiden Geisseln recycelt und die Alge bildet die kugelige "Palmella" Form (Akineten). Dabei werden Carotinoide, speziell der Farbstoff Astaxanthin, gebildet. Wahrscheinlich dient der Farbstoff als Schutz vor der Sonnenstrahlung. Eine alternative Deutung ist der Schutz vor freien Sauerstoff Radikalen, die bei der Photosynthese entstehen. Die Akineten sind unempfindlich gegen Trockenheit und können sogar mit dem Wind zu einem anderen Wasserloch reisen (Bilder 1-4).

Bei verbesserten Lebensbedingungen erfolgt ein schneller Übergang in das Flagellaten Stadium und der Flagellat teilt sich. Der Flagellat hat 2 Geisseln und ist von einer Schleimhülle umgeben (Bild 5).

Die Blutregenalge wird kommerziell zur Herstellung von Astaxanthin eingesetzt. Astaxanthin ist ein sehr wichtiger Farbstoff, der Krebstiere rot und Lachse rosa (durch den Verzehr der Kleinkrebse) macht. Astaxanthin ist ein besserer Vitamingrundstoff als Beta Carotin und ein wichtiger Bestandteil des Zierfischfutters. Speziell Futter, dass die Farben kräftiger werden lässt, enthält viel Astaxanthin.

Teichfreunde sind oftmals weniger begeistert von dieser Alge denn sie kann einen Teich schnell in ein blutrotes Gewässer verwandeln. Gegen Chlor ist die Alge besonders empfindlich.


Bild 1: 10x Planapo, Dunkelfeld


Bild 2: 16x PlanNeo, Phasenkontrast


Bild 3: 63x Planapo, Hellfeld


Bild 4: 100x, PlanNeo, DIK


Bild 5: 63x Planapo, Phasenkontrast

Eine Besonderheit des Flagellaten sind die Plasmabrücken zum Ende der Schleimhülle. Im Bild 6 sind diese schön zu sehen. Der Chloroplast enthält mehrere gut zu erkennende Pyrenoide sowie den Zellkern (Bild 7). Ein Augenfleck ist vorhanden, ich habe ihn allerdings nicht erkennen können.


Bild 6: 63x Planapo, Phasenkontrast


Bild 7: 100x PlanNeo, DIK


Hinweise:

Antoni van Leeuwenhoek kann als der Erfinder der Mikroskopie bezeichnet werden. 1675 entdeckte er in Wasserpfützen Kleinstlebewesen und berichtete davon in Briefen der englischen Royal Society. Dort wurde seine Berichte verspottet bis seine Experimente nachvollzogen werden konnten und man seine Entdeckungen bestätigte. Leeuwenhoek führte eine Art Tagebuch seiner Experimente und Entdeckungen, der zitierte Text ist aus einem selchen Tagebucheintrag.

Die Bezeichnungen 10x, 100x, etc. stehen für den Abbildungsmassstab des benutzen Objektivs. Mit dem 10x Okular ergibt das dann die 10-fache Vergrösserung im Auge. So ist ein Bild, dass ich 100x unterschrieben habe, im Mikroskop eine 1000-fache Vergrösserung. Auf dem Rechner, auf dem das Bild grösser ist als im Okular, ist die Vergrösserung noch höher.

Herzliche Grüsse
Ecki
03.10.2010, 22:48:46

MonikaW

Hallo Ecki, vielen Dank für den neuen Einblick in den Microkosmos :thumb:
Tolle Bilder :nick:
Eine Frage: Wo gibt es denn ein Forum zum Bestimmen von Kleinstlebewesen im Wasser?
Wenn ich nicht weiß,
wie es heißt kann ich auchnicht danach googeln :ao2:
Viele Grüße Monika
05.10.2010, 08:17:32

Bernd Kaufmann

Zitat von MonikaW :
Hallo Ecki, vielen Dank für den neuen Einblick in den Microkosmos :thumb:
Tolle Bilder :nick:
Eine Frage: Wo gibt es denn ein Forum zum Bestimmen von Kleinstlebewesen im Wasser?
Wenn ich nicht weiß,
wie es heißt kann ich auchnicht danach googeln :ao2:
Viele Grüße Monika


Hallo Monika,

dazu wirst Du mit einem Buch besser bedient sein. Mikroskopierst Du denn? Ich meine, ohne Mikroskop siehst Du ja nicht, wonach Du googeln willst.

Egal - der Klassiker ist zweifellos "Das Leben im Wassertropfen": http://www.amazon.de/Das-Leben-Wassertropfen-S%C3%BC%C3%9Fwassers-Bestimmungsbuch/dp/3440119661/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1286255742&sr=8-1
Ebenfalls empfehlenswert ist "Tiere und Pflanzen im Wassertropfen":
http://www.amazon.de/Tiere-Pflanzen-Wassertropfen-Frieder-Sauer/dp/392301001X/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1286257433&sr=1-1

Online sind die Seiten von Dr. Wagner ein Muss: http://www.dr-ralf-wagner.de/

Tja - und zu Eckis Bildern kann man nur sagen "wer ko, der ko". Einsame Spitze, die halt nur mit einer solchen Ausrüstung und der Beherrschung derselben erreichbar ist. Glückwunsch, Ecki!
05.10.2010, 11:51:10

MonikaW

Hallo Bernd, bin zwar sehr spartanisch ausgerüstet :ao3: , aber trotzdem kann man einiges sehr gut erkennen :thumb: ...
Um Tiere in der Größenordnung von Muschelkrebsen oder auch Pantoffeltierchen anzusehen ist es auf jedenfall ausreichend und hochinteressant :foto:
Alles kleine Kunstwerke...Wie verschwenderisch die Natur doch mit filigranem Schmuck an Kleinstlebewesen umgeht :thumb: ...
Wenn jetzt die Abende wieder länger werden möchte ich mich gerne mal dranmachen, was so alles in den Aquarien kreucht und fleucht...
Mein Microskop hat auch einen PCanschluss...mal sehen, ob ich dann auch etwas beisteuern kann...
Danke für Deine Buchtips und die Internetseite...
VG Monika
05.10.2010, 12:31:34

Ecki

Hallo Monika,

melde dich einfach im Mikroskopie Forum an: http://www.mikroskopie-forum.de/ Bini ist dort auch aktiv.

Es gibt ein Unterforum "Bestimmungshilfe gesucht". Wenn Du Bilder reinstellst und um Hilfe bei der Bestimmung bittest, wird Dir dort definitiv weitergeholfen. Die Qualitaet der Bilder ist nicht entscheidend.

@Bernd: Danke fuer die Blumen.

Herzliche Gruesse
Eckhard
05.10.2010, 12:50:56

MonikaW

Super Ecki, danke für den Link...
So, jetzt wart ich noch auf Langeweile :lol:
VG Monika
 
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