"Am 25. August (1701) bemerkte ich, dass in einer bleiernen Rinne, die am vorderen Teil meines Hauses angebracht ist, eine Pfütze von Regenwasser stehengeblieben war. Die Pfütze war fast 4 Zoll lang, sieben Zoll breit und zeigte einen roten Farbton.
Da mir der Gedanke kam, dass vielleicht jener rote Farbton seinen Ursprung roten Kleinstlebewesen verdanken könne, (...) entnahm ich der Rinne soviel Wasser, wie ungefähr einen Tropfen ausmacht, beobachtete es durch das Mikroskop und entdeckte eine große Anzahl teils roter, teils grüner Kleinstlebewesen." Leeuwenhoek, 1702
Von ähnlichen Überlegungen wurde ein befreundeter Mikroskopiker im Jahr 2010 geleitet, der in seinem Garten einen Wasserrest mit einem verdächtig roten Farbton fand. Eine mikroskopische Untersuchung ergab, hier war kein Verbrechen geschehen, sondern die schon von Leeuwenhoek beschriebene Alge, heute als Blutregenalge (Haematococcus pluvialis) bekannt, war Schuld.
Haematococcus pluvialis ist eine Grünalge aus der Klasse der Chlorophyceae. Sie kommt überall auf der Welt vor, liebt eher hartes Wasser und kann sogar im Brackwasser leben. Pfützen, Betonlöcher, in denen sich Regenwasser sammelt oder auch Vogeltränken sind gute Kandidaten, Haematococcus pluvialis zu finden.
Haematococcus pluvialis ist für die o.a. Habitate bestens spezialisiert. Wenn die Lebensbedingungen schlechter werden (zu wenig Licht, Nährstoffmangel (speziell Stickstoff)) werden die beiden Geisseln recycelt und die Alge bildet die kugelige "Palmella" Form (Akineten). Dabei werden Carotinoide, speziell der Farbstoff Astaxanthin, gebildet. Wahrscheinlich dient der Farbstoff als Schutz vor der Sonnenstrahlung. Eine alternative Deutung ist der Schutz vor freien Sauerstoff Radikalen, die bei der Photosynthese entstehen. Die Akineten sind unempfindlich gegen Trockenheit und können sogar mit dem Wind zu einem anderen Wasserloch reisen (Bilder 1-4).
Bei verbesserten Lebensbedingungen erfolgt ein schneller Übergang in das Flagellaten Stadium und der Flagellat teilt sich. Der Flagellat hat 2 Geisseln und ist von einer Schleimhülle umgeben (Bild 5).
Die Blutregenalge wird kommerziell zur Herstellung von Astaxanthin eingesetzt. Astaxanthin ist ein sehr wichtiger Farbstoff, der Krebstiere rot und Lachse rosa (durch den Verzehr der Kleinkrebse) macht. Astaxanthin ist ein besserer Vitamingrundstoff als Beta Carotin und ein wichtiger Bestandteil des Zierfischfutters. Speziell Futter, dass die Farben kräftiger werden lässt, enthält viel Astaxanthin.
Teichfreunde sind oftmals weniger begeistert von dieser Alge denn sie kann einen Teich schnell in ein blutrotes Gewässer verwandeln. Gegen Chlor ist die Alge besonders empfindlich.
Bild 1: 10x Planapo, Dunkelfeld
Bild 2: 16x PlanNeo, Phasenkontrast
Bild 3: 63x Planapo, Hellfeld
Bild 4: 100x, PlanNeo, DIK
Bild 5: 63x Planapo, Phasenkontrast
Eine Besonderheit des Flagellaten sind die Plasmabrücken zum Ende der Schleimhülle. Im Bild 6 sind diese schön zu sehen. Der Chloroplast enthält mehrere gut zu erkennende Pyrenoide sowie den Zellkern (Bild 7). Ein Augenfleck ist vorhanden, ich habe ihn allerdings nicht erkennen können.
Bild 6: 63x Planapo, Phasenkontrast
Bild 7: 100x PlanNeo, DIK
Hinweise:
Antoni van Leeuwenhoek kann als der Erfinder der Mikroskopie bezeichnet werden. 1675 entdeckte er in Wasserpfützen Kleinstlebewesen und berichtete davon in Briefen der englischen Royal Society. Dort wurde seine Berichte verspottet bis seine Experimente nachvollzogen werden konnten und man seine Entdeckungen bestätigte. Leeuwenhoek führte eine Art Tagebuch seiner Experimente und Entdeckungen, der zitierte Text ist aus einem selchen Tagebucheintrag.
Die Bezeichnungen 10x, 100x, etc. stehen für den Abbildungsmassstab des benutzen Objektivs. Mit dem 10x Okular ergibt das dann die 10-fache Vergrösserung im Auge. So ist ein Bild, dass ich 100x unterschrieben habe, im Mikroskop eine 1000-fache Vergrösserung. Auf dem Rechner, auf dem das Bild grösser ist als im Okular, ist die Vergrösserung noch höher.
Herzliche Grüsse
Ecki