Hallo Sergio,
hallo Marco,
als Lehrer mache ich mich gar nicht gut in solchen Dingen und möchte das hier auch nicht sein. Es ist vielmehr die Hoffnung und der gut gemeinte Vesuch, einen Weg zu finden, der beiden hilft, über eine Brücke aufeinander zu zu gehen. Und die Hoffnung, aus eigenen Erlebnissen anderen eine Hilfe sein zu können.
Bin auch schon in Verlegenheit gewesen, wegen Unstimmigkeiten das Forum zu verlassen und habe es am Ende doch nicht gemacht - heute bin ich froh darüber. Es gibt Menschen hier, die mir immer wieder gezeigt haben, daß man mich mag und respektiert, ja auch braucht. Und manchmal hatte ich stärker reagiert, als unter anderen Umständen, einfach, weil ich mich verletzt fühlte - nicht immer war es so gemeint.
Ich würde Euch hier vermissen und bitte Euch beide sehr, den Moment abzuwarten, an dem Ihr wieder aufeinander zugehen und in Ruhe darüber reden könnt. Wenn ihr es dann wahrnehmt, ist es eine Erlösung, glaubt mir.
Ich lebe z.Zt. mit zwei Menschen zusammen unter einem Dach, die mich oft an meine Grenzen bringen. Meine Haut wird dabei so dünn, daß ich manchmal an ganz anderer Stelle zu spüren bekomme, was ich dort falsch mache, nämlich zeitig genug zu sagen, was mir nicht gefällt und zwar so, daß es klar ist, aber auch respektvoll. Dann kann man eine Ebene finden, die beiden Seiten dient oder erkennen, daß das z.Zt. nicht möglich ist und in Frieden, ohne offene Wunden zu hinterlassen, wieder eigener Wege gehen.
Schwierigkeiten der Verständigung sind ja schon in einer gleichsprachig aufgewachsenen Umgebung an der Tagesordnung. Daß sprachliche Lernphasen das noch verstärken können, ist eine Tatsache, der wir am besten und konstruktivsten durch sehr viel Geduld, Gefühl und Toleranz begegnen. Wenn man sich ärgert, egal worüber, ist man blockiert. Das beste, nicht nur nach meiner Erfahrung, ist dann, sich kurz zurück zu ziehen und mit sich selbst zu klären, was genau einen geärgert hat und worin die Ursachen wirklich liegen oder es diskret unter Freunden im Gespräch zu klären versuchen. Oft erkenne ich dabei, daß ich mich über mich selbst geärgert habe und es auf jemand anderen projeziere; d.h. ich suche die Verantwortung beim anderen, nicht bei mir. Das ist in der menschlichen Psyche recht kompliziert und das schwerste daran ist, es zu erkennen und zu überwinden, weil man sich selbst überwinden muß. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ICH das falsch gemacht habe und immer wieder einmal falsch mache. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ich war oft in Italien, habe mich bemüht, diese für mich sehr schöne Sprache zu lernen und hatte viel Freude dabei. Die unzähligen Fehler, die ich gemacht habe (und immer noch mache) haben Sergios Landsleute mit einem liebevollen Lächeln und sehr freundlicher Reaktion meist höflich ignoriert, obwohl es ihnen bestimmt so manches Mal kaum möglich war, mich zu verstehen. Ich erinnere mich an einen Gutsherren, bei dessen ältestem Sohn, der das Weingut verwaltet, ich oft einquartiert war. Mit Händen und Füßen, wie man so sagt, habe ich versucht, mich zu verständigen, dann mit ersten, meist falsch formulierten Sätzen - er nahm es nicht nur gelassen, er hat mir sehr geholfen und mir dabei immer meine Würde gelassen - das habe ich ihm nie vergessen und wenn er mich jemals brauchen würde und ich es irgendwie möglich machen könnte, würde ich kommen und ihm helfen, so gut ich irgend kann - aus Dankbarkeit und Zuneigung, vor allem aber auch aus Achtung vor einem großartigen Menschen, der mir gezeigt hat, welche gewaltigen Brücken mitten ins Herz seine Achtung vor dem Anderen schlagen kann. Die menschliche Bande, die er damit geknüpft hat, hätte schöner für mich nicht sein können. Diejenigen, denen ich in seinem Land nach kurzer Zeit etwas näher stand, haben mich zunächst gefragt, ob sie mir dabei helfen sollen, ihre Sprache schneller zu lernen und weil ich "ja, gern" sagte, mit viel Gefühl und diskret korrigert, um mir zu helfen. Das habe ich als sehr respektvoll empfunden und es hat Beziehungen aufgebaut, die mir sehr viel bedeuten.
Marco hat es bestimmt nicht böse gemeint und Sergio bemüht sich sehr, sich in einer fremden Sprache an unserer Gemeinschaft zu beteiligen, uns etwas von seinem Wissen und Können weiter zu geben. WIR haben es in der Hand, Sergio das Gefühl zu geben, was jener Gutsherr seinerzeit mir gegeben hat. Einen besseren Botschafter italienischer Lebensart und Herzlichkeit kann ich mir kaum vorstellen - und nebenbei einer der besten Botschafter seines Landes. Unsere Grammatik ist ungleich schwerer zu erlernen und verstehen, als die italienische, wie überhaupt unsere Sprache deutlich komplizierter ist. Das sollten wir nicht übersehen, wenn wir die Fortschritte andersprachiger Mitmenschen einschätzen.
Vielleicht besteht ja eine Möglichkeit darin, daß wir Sergio, wenn wir etwas nicht verstanden haben, fragen, ob er es so (oder anders) gemeint hat? Ich bin sicher, er wird dann entsprechend reagieren und es uns noch einmal etwas anders erklären.
Ich schätze Euch beide als Mitmenschen und Gleichgesinnte in unserem gemeinsamen, schönen Hobby. Und vielleicht kann ich heute abend ein klein wenig von dem an Euch alle zurück geben, was Ihr mir immer wieder gegeben habt und nach wie vor gebt: Mitgefühl, Aufrichtigkeit und freundschaftliche Verbundenheit. Dann hat mein bei Euch bleiben etwas bewegen können.
In der Hoffnung, daß es ein Mißverständnis ist, bitte ich alle Beteiligten sehr darum, es durch ein einigendes Gespräch zu bereinigen. Laßt uns Sergio zeigen, daß er bei uns gern gesehen und gelesen ist und wir ihm, nur dann, wenn er es wünscht, gerne helfen.
In unserem Grundgesetz, auch wenn es noch keines ist, heißt es: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das muß für alle gelten oder keinen. Zeigen wir uns alle dessen würdig.
Wenn es nicht gut genug war, will ich nichts gesagt haben. Wenn es geholfen hat, hat es mich froh gemacht und ich wurde beschenkt.
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