Hallo Bernd,
zunächst finde ich es nett, daß Du so detailliert auf meinen Post eingehst, vielen Dank vorab.
Ich glaube, im Moment selbst ein bißchen überdreht zu sein und habe dem Forum deswegen schon zu viel zugemutet. Das möchte ich ändern und nehme mich daher zurück, was aber nicht heißt, meine Ansichten und Fragen über Bord zu kippen.
Als Naturwissenschaftler weiß ich, daß man entweder empirisch oder experimentell zu Erkenntnissen gelangt, so hat man es uns jedenfalls beigebracht. Dabei gehen die Wissenschaftstheoretiker stets vom Verstand aus, nie vom Gefühl.
Erfahrungswerte anzuzweifeln, ist meist ein schwieriges Unterfangen. Wenn es schon schwer ist, gegen Zahlen anzugehen, wie schwer ist es dann erst, gegen Empfindungen anzugehen, die nicht von Zahlen untermauert sind. Ich habe nichts geghen Erfahrungswerte, aber ich fände es gut, wenn sie erläutert würden, damit man sie auch vom Kopf her nachvollziehen kann - dem Gefühl braucht man mit Zahlen nicht zu kommen.
Ich zweifle absolut nicht an Deiner Professionalität, weder bei Messungen irgend einer Art, noch sonst. Ich vermisse nur bei vielen Autoren einfach die detaillierte Darlegung dessen, was vermittelt werden soll. Hier zu "sparen", mit wenigen Worten Aussagen zu machen, die auf Erfahrungen, Messungen oder was auch immer beruhen, ist in meinen Augen kontraproduktiv, weil es alle anderen, die daran nicht direkt beteiligt waren, über so viel (selbstverständlich ohne Absicht) im Unklaren läßt, daß gerade auch dadurch Spekulationen Raum gegeben wird, statt klärend zu wirken. Verstehe mich bitte nicht falsch - ich mag auch über so manche Dinge nicht mehr reden / schreiben, weil es zum tausendsten Mal geschehen würde und doch gibt es immer Menschen, die genau das noch nicht wissen, vergessen oder übersehen haben und dankbar für einen klaren Hinweis sind, zumal dann, wenn er direkt oder indirekt hilft. Ich halte es für eine Pflicht, hier zu reden und einen Beitrag zu leisten, egal, wie oft ich das schon gemacht habe oder zumindest einen Hinweis auf eine Informationsquelle zu geben. Dafür, daß ich mich manchmal zu weit aus dem Fenster lehne, muß ich mich immer wieder einmal zurück nehmen - das gefällt mir nicht, aber es ist ehrlich und hilft denen, die vielleicht ähnliche Not mit diesem unangenehmen Teil menschlicher Irrtümer haben, wie ich selbst, diesen Schritt zu vollziehen. Bitte, nochmals, ich unterstelle weder Dir noch irgend einem anderen Forenmitglied in irgend einer Weise Unaufrichtigkeit, sondern appelliere nur an offenes Miteinander, auch auf die Gefahr hin, sich zu irren und zurück rudern zu müssen. Da gehört für mich einfach dazu, ist menschlich und verzeihlich, sonst nichts.
Auf das Thema Beleuchtung im AQ bezogen, würde mich sehr interessieren, welche Daten Du gesammelt hast, welche Erfahrungen gemacht und weshalb Du diese Auffassung vertrittst. Ich bin hier erst seit einem dreiviertel Jahr dabei, weiß daher nicht, ob Du das hier schon diskutiert hast, aber es würde mich sehr interessieren und andere vielleicht auch. Meinst Du nicht, daß es vielen dienen könnte, bestimmte und wichtige Zusammenhänge besser zu verstehen?
Fehlendes wirtschaftliches Interesse oder anders gerichtetes ist meist die Triebfeder für Unterlassungen oder Fehlinformationen, manchmal auch andere Gründe. Vielleicht muß man nicht alles im Detail klären, aber die komplexen Zusammenhänge im AQ zu verstehen, glaube ich, schaffen wir nur, wenn wir uns darauf einlassen, gezielt durch Experimente am Einzelfall Klärung innerhalb dessen enger Grenzen zu erzielen, das später zusammen zu fassen und daraus ein Gesamtbild wachsen lassen. Daß das ein Einzelner nicht schaffen kann und das Einzelbeobachtungen nicht von Gesamtbetrachtungen ablenken sollten, unterschreibe ich sofort. Aber wenn wir nicht irgendwann einmal damit anfangen, wird nie etwas daraus und wir bleiben auf empirisch gewonnenen "Erkenntnissen" sitzen, die entweder so von Generation zu Generation weiter gegeben und widerspruchslos geglaubt werden, oder irgendwann untergehen.
Ich gebe Dir gern Recht, wenn Du sagst (und darin scheinst Du gar nicht müde zu werden, Chapeau) daß in natürlichen Fließgewässern vieles auf andere Weise gelöst werden kann, als im AQ, daher WW eine wichtige Funktion haben usw. Ein AQ ist aber idR ein geschlossenes System (die Vorgänge auf der Erde sind es letztlich auch, nur in weit größerem Maßstab und daher kaum vergleichbar) mit anderen Voraussetzungen und wir suchen doch nach Lösungen dafür. Wer ein Durchflußbecken bauen kann, braucht vielleicht keinen Filter, wer mit Schlauch, Eimer und Wasserhahn jongliert wie ein Weltmeister, vielleicht auch nicht, aber die meisten AquarianerInnen hantieren eher anders mit diesen Faktoren. Bei allem Respekt Dir gegenüber, ich glaube trotzdem nicht, daß WW mit 80% und mehr alle Probleme lösen können (im Gegenteil, eher daß sie (wenn auch selten) manchmal erst welche schaffen), was aber im Umkehrschluß für mich nicht heißt, keine regelmäßigen, ausreichend intensiven WW zu machen, sondern nur, das Thema differenzierter zu sehen. Vielleicht hilft es, eine Richtschnur (nur zur Orientierung) für den allgemeineren Fall zu geben und dabei auf Ausnahmen aufmerksam zu machen, sie ebenfalls zu schildern.
Ich kenne recht viel AQ-Literatur, vor allem Bücher. Aber ich habe sehr selten welche gelesen, die mehr bringt, als pauschalisierte, von anderer Quelle stammende Aussagen zu machen, ohne sie im Detail oder wenigsten hinreichend zu erörtern. Es kommt mir eher vor, als ob sich Altgewohntes ständig wiederholt und kritischen Fragen eher aus dem Weg gegangen wird. Das ist schade. Nicht das ich Auseinandersetzungen suche, wie Trüffel, aber ich halte eine offene Aussprache immer noch für das gängigste Mittel, Fragen zu erörtern und vielleicht zu klären. Ich kann, was auch immer, tausend mal auf die gleiche Weise erleben und beim Tausendundeinten Mal ist irgend etwas anders, so anders, daß es mir auffällt. Wahrscheinlich war auch schon lange vorher das eine oder andere Detail irgendwie mal anders, aber es fiel mir nicht auf. Routine macht blind. Wenn sie uns so blind macht, das wir außer ihr nichts mehr kennen, haben wir verloren. Ich kann, pardon, beim besten Willen nicht empfinden, daß unter üblichen AQ-Bedingungen die Themen Filterung und Licht so sehr überschätzt werden, daß sie nicht immer wieder eine Erörterung wert wären, zumal sich z.B. technische Voraussetzungen stetig ändern. Das ändert sicher nicht die Natur (gottlob nicht), aber unsere Möglichkeiten vielleicht schon. Ich pflichte Dir gern bei, daß hier manches überbewertet wird, aber vielleicht nur, weil es mangels Erkenntnis falsch eingeschätzt wird.
Ich schätze und achte Dich wirklich sehr, Bernd, aber es fällt mir schwer, z.B. der Aussage zu folgen, daß blaues Licht Algen fördert, während im gleichen Atemzug propagiert wird, die wesentliche Aufgabe der Eindämmung von übermäßigem Aufkommen der Algen im AQ bestehe darin (dem pflichte ich durchaus bei), den höheren Pflanzen bessere Bedingungen zu schaffen, damit sie das Rennen gegen die Algen gewinnen können. Entweder verfolge ich die Idee, den höheren Pflanzen solche Bedingungen zu liefern, dann kann ich doch aber nicht gleichzeitig argumentieren, den niederen (sprich Algen) ihr Spektrum zu beschneiden, um sie etwas zu behindern und glauben, die höheren Pflanzen nutzen den blauen Spektralanteil zu wenig oder gar nicht, nur weil mir Daten zu einer schwindend geringen Artenzahl bei Algen und höheren Wasserpflanzen vorliegen. Oder ich verfolge eine andere Strategie und bekämpfe die Algen auf andere Weise. Wie dem auch sei, die bisherige Argumentation dazu erscheint mir wenig schlüssig, zu viele Fragen bleiben unbeantwortet / offen, zu oft geschehen Dinge, die all das in Frage stellen. Mir scheint daher unser immer noch spärliches Wissen eher der Grund für Mißlingen zu sein, sicher immer noch zu oft auch mangelnde Einsicht. Ein Patentrezept habe auch ich nicht, nur die Hoffnung, daß wir irgendwie weiter kommen.
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