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#  14.09.2009, 23:15:32
Hallo,

Ich möchte versuchen, etwas über die Anatomie des Blattes zu erklären und dabei vor allem auf die funktionale Anatomie eingehen. Ich beschränke mich bei dieser Betrachtung auf die Angiospermen, die Bedecktsamer oder Blütenpflanzen. Ob Mais, Echinodorus oder Tanne - die Blütenpflanzen sind mit über 200.000 Arten die grösste Abteilung im Reich der Pflanzen.

Den grössten Einfluss auf die Form und den inneren Bauplan hat das Wasserangebot. So kann man die Blütenpflanzen in 3 Ökotypen, einteilen:


Mesophyten
Pflanzen, bei denen es weder zu feucht noch zu trocken ist

Hygrophyten
Pflanzen, die ganz oder teilweise im Wasser leben

Xerophyten
Pflanzen, die an trockenen oder ariden Standorten (Verdunstung höher als Niederschlag) angesiedelt sind



Die Blätter aller Blütenpflanzen haben den selben Grundbauplan. Von aussen nach innen sind das Haut-, Grund- und Leitsystem. Manche Blätter zeigen dabei eine extreme Anpassung an die Erfordernisse ihres Standortes. Dabei können Merkmale mehrerer Ökotypen gleichzeitig an einem Blatt vorhanden sein, denn die Grenzen zwischen diesen Ökotypen verlaufen nicht scharf.




Mesophyten

Das obige Bild zeigt den typischen Aufbau des Blatts eines Mesophyten im Querschnitt. Durch die Spaltöffnungen, die in der Regel vor allem an der Blattunterseite sitzen, werden Sauerstoff, CO2 und Wasserdampf mit der Luft ausgetauscht. Sie sind Teil des Hautsystems, das aus der Kutikula und den Epidermiszellen besteht. Das Verdunsten von Wasser bewirkt den Transport von Wasser und Zellsäften in vertikaler Richtung. Die Kutikula verhindert unerwünschtes Verdunsten. Das zwischen den Epidermiszellen befindliche Mesophyll ist auf die Photosynthese spezialisiert und besteht aus Palisadengewebe, welches zusätzlich auch für Festigkeit sorgt und Schwammgewebe. In beiden Gewebearten sind in den Zellen Chloroplasten, in denen die Chlorophyllreaktion abläuft.

Das Mesophyll ist von Leitbündeln durchsetzt, die dem Transport von gelösten Stoffen und flüssigem Wasser dienen.

Xerophyten

Xerophyten sind Spezialisten für die schnelle Wasseraufnahme bei Niederschlag und haben eine geringe Wasserabgabe. So haben Xerophyten oft sehr viele Spaltöffnungen an der Blattoberseite, damit sie bei Regen schnell so viel Wasser wie möglich aufnehmen können. Sie haben eine dicke Kutikula und gerne kleine Härchen, die einen zusätzlichen Verdunstungsschutz bilden.

Die Spaltöffnungen liegen oft in Vertiefungen oder haben eine Art Wachsröhre über sich.

Manche Blätter lassen die Spaltöffnungen fast immer zu und haben eine Weg gefunden, die reduzierte CO2 Aufnahme durch bessere Ausnutzung zu kompensieren. Diese Pflanzen geben in der Dunkelphase der Photosynthese kein CO2 an die Umwelt ab. Diese Pflanzen mussten dazu das C4- oder das CAM-Verfahren zur Photosynthese entwickeln.

Übrigens, das C4 Verfahren (also das Nutzen des gesamt aufgenommen CO2s) im Vergleich zum „normalen“ C3 Verfahren (Abgabe der Hälfte des aufgenommenen CO2s in der Nacht) ist nicht ein Folge des CO2 Mangels durch längeres Schliessen der Spaltöffnungen. Unabhängig haben auch einige Mesopythen dieses Verfahren entwickelt (Prof. Eschrich, Funktionale Pflanzenanatomie, Springer Lehrbuch 1995).

Hygrophyten

Für das Aquarium eigenen sich nur Hygrophyten; und von denen nicht die Feuchtpflanzen. Alle Hygrophyten, auch die reinen Wasserpflanzen, sind wieder ans Leben im Wasser angepasste Landpflanzen. Die Evolution hat die höheren Pflanzen an Land entwickelt. Bei den Hygrophyten gibt es unterschiedliche Typen:

Feuchtpflanzen

Diese Pflanzen sind an die 100% Luftfeuchtigkeit im tropischen Regenwald angepasst. Wenn sie nicht per Verdunstung Wasser abgeben, können manchen Arten einen Sprühregen erzeugen!

Schwimmpflanzen (Lotus, Wasserlinsen)

Typisch ist die Blattoberseite mit Spaltöffnungen, über die Versorgung mit CO2 und die O2 Entsorgung passiert.

Echte Wasserpflanzen (Cabomba)

Bei diesen erfolgt der Gasaustausch nicht über Spaltöffnungen sondern durch direkt durch die Epidermis. Dazu fehlt eine Kutikula völlig. Das Blatt fiedert sich auf, um eine möglichst grosse Oberfläche zu haben und der Strömung möglichst wenig Wiederstand entgegen zu setzen. Durch die fehlende Verdunstung von Wasser können die Wurzeln keine Nährstoffe transportieren und sind meist zu reinen Haltewurzeln verkümmert. Die Nährstoffaufnahme erfolgt dann über das Wasser - deswegen ist eine gute Umströmung mit nährstoffreichem Wasser wichtig.

Sumpfpflanzen (Echinodorus)

Diese Pflanzen können sowohl im sumpfigen Mileu über als auch unter Wasser leben - manchmal jedoch nur zeitweilig. Einige dieser Pflanzen, wie die Echinodorus, können zwei verschiedene Blattformen erzeugen (Heterophyllie). Dies erfolgt durch den höheren Zellinnendruck in den submersen Blättern. Dadurch werden die Epidermiszellen gestreckt und das Wasserblatt wird länglicher und dünner. Der hohe Zellinnendruck (Turgor) bei submersen Blättern entsteht durch die fehlende Verdunstung.

Luftblätter können CO2 und Stickstoff über die Spaltöffnungen aufnehmen und über das Verdunsten von Wasser den Stofftransport in vertikaler Richtung steuern. Bei untergetaucht lebenden Pflanzen ist das komplizierter:

Am meisten untersucht ist Elodea, die Wasserpest. Sie nimmt das CO2 aus dem Bicarbonat (HCO3-) auf. Alle Pflanzen müssen unter Wasser Amonium oder Nitrat aufnehmen und können keinen molekularen Stickstoff verwerten.

All dies passiert dann durch die Epidermis. Sie ist dann sehr dick, viele Zelllagen, mit dünnen Zellwänden (einfache Diffusion von Gasen) und enthält auch die Chloroplasten. So kann das aufgenomme CO2 am schnellsten zu den Verbrauchern, den Chloroplasten, in denen die Chlorophyll Reaktion abläuft, gebracht werden. Das Mesophyll ist dünn und ohne Differenzierung in Schwamm und Palisadengewebe. Leitbündel sind nur schwach entwickelt und dienen primär der Herstellung von Zugfestigkeit - sie sind also Richtung Achsenzentrum des Sprosses angeordnet.

Sumpfpflanzen wie die Echinodorus erzeugen über eine Ionenpumpe in den Wurzeln die Vertikalströmungen im Spross und haben Merkmale von Mesophyten und Hygrophyten. Bei ihnen werden CO2, Nitrat und Ammonium durch die Blätter und andere Nährstoffe durch die Wurzeln aufgenommen.


Bilder von Schnitten zur Pflanzenanatomie gibt es hier:
http://www.wunderkanone.de/Pflanzen/page41/page41.html

Gruss
Ecki

www.wunderkanone.de

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#  18.09.2009, 07:46:31
Guten Morgen Ecki,

unter den Xerophyten gibt es Pflanzen, die zur Verringerung der Wasserverdunstung ihre Blätter senkrecht zur Sonneneinstrahlung stellen - z. B. der Eukalyptusbaum. Darum nennt man Eukalyptuswälder auch "Wälder ohne Schatten".

Ist das nicht beeindruckend?

ein sehr interessanter Bericht. Danke dafür. lv6

Liebe Grüße
Sabine


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#  18.09.2009, 17:20:43
Hallo Ecki,
nach dem ich gedacht hatte, wir haben eine neue Userin, aber Bini hat ja nur ein neues Avatar, möchte ich auch kurz mich zu Wort melden.
Ich finde deinen Beitrag auch sehr gelungen und super verständlich erklärt.
Ein paar Fragen ergeben sich daraus für mich:

  • Was bedeuten eigentlich die Einteilungen in C3, C4 usw.?
  • Gibt es eine Erklärung, für was die Pflanze die einzelnen Nährstoffe braucht (CO2, Fe, NPK)?
  • Wie bemerkt die Pflanze, wenn ihr ein Stoff fehlt, bzw. nimmt sie immer das Gemisch das ich vorsetze in dieser Konzentration auf?
  • Was passiert in der Pflanze, wenn die Nährstoffe fehlen (direkte Auswirkung der einzelnen Nährstoffe)?



Grüßle Jörg
________________________________

Düngen von Naturaquarien
Früher war alles besser, sogar die Zukunft.


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#  18.09.2009, 18:45:21
Hallo Bini und Jörg,

der Name C3 und C4 kommt von einem Zwischenprodukt in den Stoffwechselzyklen. In dem C3 Fall sind 3 Kohlenstoffatome beteiligt, im C4 Fall 4 Kohlenstoffatome.

In der Natur hat sich der C4 Zyklus an mehreren Stellen parallel entwickelt. Der C4 Prozess verbraucht mehr Energie als der C3 Prozess, bindet aber effizienter CO2. C4 Pflanzen sind für wärmere Temperaturen "optimiert" (25-35°) während C3 Pflanzen bei 15-25° am besten gedeihen. Aber Achtung, es gibt auch hier Ausnahmen. Manche Pflanzen beherrschen sogar C3 und C4 Zyklen gleichzeitig. Neben der C3 und der C4 Methode gibt es noch die CAM Methode (Ananas), die im Prinzip mit anderen Mitteln dasselbe wie der C4 Zyklus erreicht.

Die Nährstoffe werden zum Bau des Pflanzengewebes und der Makromoleküle benötigt. Chlorophyll ist z.B. eine Kohlenwasserstoffverbindung mit einem Magnesiumatom in der Mitte. CO2 wird von der Pflanze nur als Lieferant für Kohlenstoff zum Bau aller organischer Verbindungen benötigt. Kalium wird für das Regulieren des Zellinnendrucks (Turgor) benötigt. Ohne Phosphor keine CO2 Fixierung usw. usw. CO2 wird von der Pflanze nur als Lieferant für Kohlenstoff, der zum Bau aller organischer Verbindungen benötigt wird, gebraucht.

Bei den reinen Wasserpflanzen fehlt das Transportsystem in vertikaler Richtung (keine Verdunstung durch die Blätter). Diese Pflanzen nehmen alle Nährstoffe durch die Epidermis auf und haben keine Kutikula. Bei den anderen Pflanzen werden meist nur CO2 und Stickstoffverbindungen durch die Epidermis und/oder die Spaltöffnungen (Stomata) aufgenommen, der Rest über die Wurzeln. Für viele Pflanzen ist dies auch gar nicht richtig erforscht. Dies nachzuweisen ist beim CO2 einfach, denn CO2 mit dem radioaktiven C14 Isotop kann natürlich einfach in seinem Weg durch die Pflanze verfolgt werden, bei anderen Nährstoffen ist das schwieriger bzw. teilweise unmöglich.

Pflanzen merken nichts - sie haben kein Gehirn. Jede Zelle optimiert ihre Aufgabe entsprechend der Informationen die in ihrem Zellkern codiert sind.

Nährstoffe werden im Blatt hauptsächlich in den Markzellen gespeichert. Wenn die Nährstoffe verbraucht sind, hört die Pflanze auf zu wachsen. Danach werden die Nährstoffe aus einzelnen Blättern ausgezogen (Blatt wird gelb und fällt ab) und wenn immer noch nichts da ist, versucht die Pflanze wenigstens unterirdisch zu überleben um bei besserem Nährstoffangebot wieder frisch auszutreiben.

Das Abziehen der Nährstoffe aus dem Blatt kann man derzeit gut beobachten. Die Herbstfarbe der Bäume kommt durch die zurückbleibenden Stoffe, wenn die Bäume die Nährstoffe aus dem Blatt zurückholen, um sie über Winter in den Sprossen zu speichern.

Gruss
Ecki

www.wunderkanone.de

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#  18.09.2009, 19:38:17
Sehr guter Bericht!!!

Ich les einfach mit und fühl mich dann schlauer... par4

Hast du was in der Richtung studiert, oder warum weißt du das alles?

grüße
Hannes


"Wer all seine Ziele erreicht, hat sie wahrscheinlich zu niedrig gewählt."
(Herbert von Karajan)

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#  18.09.2009, 20:24:34
Hallo Ecki,
sehr interessant. Wozu wird denn Stickstoff und Fe benötigt und was bedeutet. CO2 wird durch PO4 fixiert?

Grüßle Jörg
________________________________

Düngen von Naturaquarien
Früher war alles besser, sogar die Zukunft.


Ingrid

(Administrator)




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#  18.09.2009, 20:32:10
Zitat von Jogi42 :
Hallo Ecki,
sehr interessant.

hallo,
wobei es ja unterschiede gibt hinsichtlich der nährstoffaufnahme zb. bei CO2 ob die pflanze emers oder submers gehalten wird! ggf. könntest du uns ecki den unterschied erklären?



LG Ingrid


Strebe niemals nach den Dingen, die auch Dümmeren gelingen.


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#  18.09.2009, 21:14:07
Hallo,

Stickstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Phosphor sind die wichtigsten Bausteine des Lebens wie wir es kennen. Alle Zellen, meine, Eure, die Pantoffeltierchen und die Echis, benutzen einen Stoff, den ihre Vorfahren, die Bakterien, entdeckt haben: Adenosintriphosphat - kurz ATP. ATP ist der Energieträger aller Lebewesen ausserhalb von Bakterien. Zellen können ATP wieder aus Fetten, Zucker, Stärke etc. gewinnen. ATP liefert die chemische Energie die benötigt wird um Muskeln zu bewegen oder organische Verbindungen zu bauen.

Bei der Photosynthese wird ATP benutzt, um die Energie zwischen zu speichern (Sonnenlicht), die für das Trennen des CO2s in Sauerstoff und Kohlenstoff benötigt wird.

ATP ist C10 H16 N5 O13 P3 und hat drei Phosphatmoleküle an sich. Ohne ATP könntest Du keinen Finger heben lachen

Zitat von Ingrid :
hallo,
wobei es ja unterschiede gibt hinsichtlich der nährstoffaufnahme zb. bei CO2 ob die pflanze emers oder submers gehalten wird! ggf. könntest du uns ecki den unterschied erklären?


@Ingrid, Du musst das überlesen haben. Ist im ersten Beitrag ausführlich erklärt.

Gruss
Ecki

www.wunderkanone.de

Ingrid

(Administrator)




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#  18.09.2009, 21:22:17
Zitat von Ecki :

@Ingrid, Du musst das überlesen haben. Ist im ersten Beitrag ausführlich erklärt.

du weißt genau wo ich hin will... lol2
dann anders rum. warum wachsen zimmerpflanzen, mais nicht submers! C4 - pflanzen ist demnach die nährstoffaufnahme an landpflanzen "gemessen" zu sehen was deine beschreibung im ersten beitrag betrifft?

LG Ingrid


Strebe niemals nach den Dingen, die auch Dümmeren gelingen.


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#  18.09.2009, 21:37:04
Hallo Ingrid,

Zitat:
warum wachsen zimmerpflanzen, mais nicht submers!


Nun, wenn der Meerespiegel weiter steigt, dann würden Biologen in 100.000 Jahren vielleicht Mais entdecken, der sich an ein Leben als Sumpfpflanze angepasst hat. Ob ihm da sein C4 Zyklus hilft wage ich zu bezweifeln.

C4 ist mit einem höheren Energieaufwand verbunden, durch den die aufgenommen Menge CO2 vollständig verwertet wird um schneller wachsen zu können . Das geht nur, wenn viel Sonne da ist. Und das ist unter Wasser nicht der Fall.

Und deswegen baut der Bauer auch Mais an.

Gruss
Ecki

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